Warum ich keine trans-Begriffe mehr verwenden werde

liegt daran, dass jede Kombination von „trans“ immer eine Außensicht beinhaltet:
Das Wort „trans“ kommt aus der lateinischen Sprache und lässt sich übersetzen mit „über“, „hinüber“, „jenseits“ – z.B. im Zusammenhang eines Feldzugs eines römischen Feldherren von Italien nach Deutschland „über“ die Alpen hinweg.
Im Blick auf das Geschlecht meint er „A“ überschreitet die Geschlechtergrenze und wird „B“ – „Frau“ wird „Mann“ oder umgekehrt.

Das ist aber letztlich immer eine Deutung und Zuschreibung aus einer Außenperspektive (3. Person Perspektive). Diese Außenperspektive erhebt in der Regel den Anspruch: Wir Außenstehenden wissen doch klar, wo die Grenze zwischen Mann und Frau ist und wie man Geschlecht objektiv bestimmen kann (nämlich auf Grund der Chromosomen). Ihr „Transleute“ seid psychisch gestört, oder „fühlt“ nur etwas, was aber eben nicht „Realität“ ist.
Doch diese Sichtweise ist wissenschaftlich überholt. Zentral ist nicht die Dritte-Person-Perspektive beim Thema, sondern die Erste-Person-Perspektive.
Dazu referierte zum Beispiel die Psychotherapeutin Cornelia Kunert auf der Konferenz „Transsexualität in Theologie und Neurowissenschaften“ (2016 Goethe Uni Frankfurt) und im Fachbuch auf S.609 („Sie [die Erfahrung] ist nicht objektivierbar und von außen überprüfbar […]“ sondern Bewußtseinsinhalte sind ausschließlich „in dieser Ersten-Person-Perspektive erfahrbar“), aber auch im Beitrag von Stephan Goertz im Fachbuch zur Konferenz findet man auf S. 529 einen Hinweis auf die Bedeutung der „Perspektive der ersten Person“ im Blick auf den „erheblichen Leidensdruck“. Für alle, die die Zitate nachlesen wollen: Das Fachbuch hat den Titel „Transsexualität in Theologie und Neurowissenschaften“ (Hg. G. Schreiber).

Wegen dieser und anderer Probleme schlägt auch die Neuropsychologin und Psychiaterin Dr. Dr. Claudia Haupt in ihrem Aufsatz im Buch „das Geschlecht in mir“ (Hg. G. Schreiber) „NVSD“ (neuronal verankerte Variante der Geschlechtsentwicklung – neuronal variant of sexual development) als neuen Begriff vor (dazu mehr in diesem Blog an anderer Stelle).

Im Blick auf die Gemeinsamkeiten mit anderen Menschen (jeder Mensch hat im Blick auf seine Geschlechtsentwicklung eine Einzigartigkeit, ähnlich wie ein Fingerabruck) macht es mehr Sinn, von VSD zu sprechen (Variante der sexuellen Entwicklung – variant of sexual development) bzw. VDGE (Variante der Geschlechtsentwicklung). Das ist auch einer der Gründe, warum sich eine „Trans* Selbsthilfegruppe“ umbenannt hat – mehr dazu findet man im Beitrag von Christin Löhner hier.

VSD/VDGE erleichtert als Begriff auch Klarheit im Blick auf Inanspruchnahme des neuen Vornamens- und Personenstandsgesetzes (§45b Pstg) ohne Zwangsbegutachtung. Julia Monro von der DGTI hat dazu in ihrem Blog zum Thema einiges (zum Beispiel für Arztpraxen)geschrieben. So erwähnt sie etwa ein Urteil des AG Münster, wonach „das subjektive Empfinden maßgeblich ist“ [für eine VÄ/PÄ] – also auch die Erste-Person-Perspektive betont.

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2 Antworten zu Warum ich keine trans-Begriffe mehr verwenden werde

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