So, dann bin ich also in zwei Religionen Mitglied?

So dachte ich, als ich folgenden Satz las, wonach die

„genderkritische Feministin Jane Clare Jones […] das trans*Sein zur Weltreligion erhoben [hat]. Da stehen wir nun mit unserer weltumspannenden trans*Religion. Gut, sie heißt bei Jones vorzugsweise Ideologie, aber für sie als genderkritische Feministin ist Ideologie sozusagen ein Heimspiel. An der Seite ihrer global agierenden Mitstreiterinnen befindet sich Jones zudem im Kriegszustand mit dem trans*Aktivismus. Dem ärgsten und übelsten Feind überhaupt – der kommt sogar noch vor dem Patriarchat. Sollte allerdings jemand auf die Idee kommen, sie TERF zu nennen, also Trans-Exclusionary Radical Feminist, dann wird sie noch böser, denn das sei ja nun pure Diffamierung. Wie heißt es bei Hamlet? „Dies mag zwar Irrsinn sein, hat aber doch Methode.“ (Quelle des Zitats: https://thelittlequeerreview.de/jetzt-ist-es-raus-trans-ist-wie-ein-mittelalterlicher-christlicher-kult?fbclid=IwAR2ANtN7ZBXzHb6ZHtM4aKbzMrfIoBrfIb7MDcBzn21ETAKFyjmAM7aZQ6M)

Ob ich nun demnächst mich vor meinem Dekan oder dem Kirchenvorstand verantworten muss, weil ich nicht nur evangelische Pfarrerin und Christin bin, sondern auch noch in dieser dubiosen Religion dabei?
Spaß beiseite: Natürlich ist so eine Grundannahme Blödsinn. Weder bin ich Mitglied in irgendeiner Ideologie noch in einer anderen Religion aktiv als dem Christentum.
Meine Biografie in den Jahren seit 2011 hat auch nichts damit zu tun, dass mich irgendjemand „bekehrt“ hat, ich sei etwas, was ich ja eigentlich nicht bin…
Außer dass ich mich – nämlich viel früher (1984) bewusst für den christlichen Glauben geöffnet habe – gab es keine Bekehrung zu einer „Transgender-Ideologie“ oder gar „Trans* Religion“.
Mir reicht der christliche Glaube vollauf, um damit glücklich zu sein. Er trägt mich bis heute und gibt mir Kraft. Und ich habe 2011-2013, als das innere und äußere Coming out der Reihen nach Thema waren (ja, es sind nun schon 10 Jahre, dass ich zum Thema blogge), aus dem Glauben letztlich Kraft geschöpft, nicht aufzugeben. Manchmal war ich kurz davor. Besonders, wenn ich immer wieder den Hass und das Unverständnis von Menschen spürte (und davon kann ich leider inzwischen auch viel erzählen).

Aber ich habe daraus den Schluß gezogen, nicht aufzugeben, sondern aufzuklären. Denn dank der Hinweise von Dr. Claudia Haupt lernte ich die Bedeutung der Neurobiologie beim Thema TS näher kennen und auf der internationalen, interdisziplinären Konferenz zum Thema „Transsexualität in Theologie und Neurowissenschaften“, die Dr. Gerhard Schreiber an der Goethe-Uni in Frankfurt a.M. 2016 organisierte und maßgeblich durchführte, lernte ich auch Neurobiologen wie Milton Diamond persönlich kennen und konnte all die Fragen stellen, die ich sonst vermutlich nie direkt loswerden konnte.
Um so mehr freut es mich deshalb, wenn Nora Eckert im oben zitierten Beitrag als Replik auf die genderkritische Feministin eine umfassendere biologische Sichtweise einfordert, als es der Genitalismus von Jane Clare Jones zeigt. Eckert schreibt zu Recht:

Jones und ihre Mitkämpferinnen bestreiten, dass es eine angeborene Geschlechtsidentität gebe und wir trans* geboren werden. Genau hier liegt der Hund begraben. Denn ihr biologistisches Weltbild kennt nur Genitalien. Dabei hat die Neurobiologie das, was Geschlechtsidentität genannt wird und Jones als Seele missversteht, längst als biologisches Faktum erkannt, ohne bereits sagen zu können, wie die „Programmierung“ eigentlich aussieht (mit Sicherheit aber nicht wie das kulturell Konstruierte von Gender). Wir sollten außerdem nicht vergessen, dass es da noch ein paar Instinkte aus unserer tierischen Vorgeschichte gibt. Gegen Biologie ist überhaupt nichts einzuwenden, nur dann bitte die ganze! Der schon etwas ältere Lehrsatz lautet jedenfalls: Das zentrale Sexualorgan des Menschen sitzt zwischen den Ohren und nicht zwischen den Beinen.<< (a.a.O.) (und damit zitierte Eckert Milton Diamond…)

Danke für diesen Beitrag, Nora Eckert!
Ich widme diesen Blog-Beitrag all den jungen Damen, die mich im Fasching 2011 fragte, ob sie mich schminken dürften (und damit viel mehr ins Rollen brachten, als sie vermutlich sich vorstellen konnten).

Update: In diesem Servicetweet gibt es einen Faktencheck zu vielen TERF-Behauptungen, den man gelesen haben sollte, wenn man diskutieren will…

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